Das Superkunstjahr 2017 wartet ab Mai mit einem weiteren Highlight auf: Die Biennale Venedig. Hochoffiziell heißt sie „L’Esposizione Internazionale d’Arte, La Biennale di Venezia“ und jährt sich in diesem Jahr zum 57. Mal. Bis zum 26. November haben Besucher die Möglichkeit, die 1895 zum ersten Mal eröffnete -und damit erste internationale Kunstausstellung weltweit- zu sehen.
Im Zwei-Jahres-Turnus zeigen zahlreiche Länder-Pavillons im Giardini di Castello und bilden den Kern der Venedig Biennale. Zusätzlich wird eine kuratierte Zentralausstellung gezeigt, die man im sogenannten Arsenale besuchen kann. In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts kamen sowohl ein Musikfestival, ein Filmfestival als auch ein Theaterfestival hinzu. Seit 1980 begeistern sich Freunde der Baukunst über die Architekturbiennale, die seit 2002 in den geraden Jahren stattfindet.
Zur Kuratorin der diesjährigen Biennale ist die Französin Christine Macel berufen. Sie arbeitet seit 2000 als Chefkuratorin am Pariser Centre Pompidou und leitet dort die Sektion der zeitgenössischen und jungen Kunst. Sie gilt als kompromisslos und kühn. Trotzdem ist Macel erst die vierte Frau in der 122-jährigen Geschichte der Biennale in leitender Funktion, und dass, obwohl längst zahlreiche herausragende Kuratorinnen und Museumsleiterinnen auf dem Kunstmarkt vertreten sind. Macel bringt Biennale-Erfahrung mit. Mit Fug und Recht lässt sich behaupten: Die Frau hat sich von der Basis der Biennale an die Spitze gearbeitet. 2007 verantwortete sie den belgischen Pavillon und zeigte Arbeiten von Eric Duyckaerts, 2013 ließ sie eine Multimedia-Installation von Anri Sala im französischen Pavillon zeigen und schon 2011 war sie Mitglied der Biennale-Jury.
Harter Realismus an der Perle der Adria
Auch für den Deutschen Pavillon zeichnen Frauen verantwortlich: Kuratorin Susanne Pfeffer wählte die Frankfurter Künstlerin Anne Imhof aus, den Pavillon mit Kunst zu füllen. Das Œuvre der Performance- und Multimediakünstlerin umfasst malerische, skulpturale, installative und performative Arbeiten. Zur Künstlerin heißt es: „Anne Imhof begegnet der Brutalität unserer Zeit mit einem harten Realismus. In ihren Szenarien vergegenwärtigt sie, wie der Körper in materiellen und diskursiven, in technologischen, sozio-ökonomischen und pharmazeutischen Grenzziehungen konstituiert wird. Anne Imhof macht so den Raum zwischen Körper und Realität sichtbar, in dem unsere Persönlichkeit überhaupt erst entsteht.“ Oder, um es mit Goethe zu sagen: „Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen“.
2015 brach die verlängerte Spielzeit der Biennale alle Rekorde: Über 500.000 Besucher konnten gezählt werden. Auch 2017 setzt der Stiftungsrat auf einen frühen Beginn der venezianischen Kunstschau. Bereits Mitte Mai öffnen die Zentralausstellung, die Ausstellungen in den nationalen Pavillons und die „eventi collaterali“- die Nebenausstellungen, ihre Pforten. Zusammengenommen präsentiert die Biennale die weltweit größte Anhäufung von Gegenwartskunst und ermöglicht vielfältige Einblicke in das kontemporäre Kunstschaffen.
Es menschelt in Venedig
Christine Macels Konzept für die Zentralausstellung ist von verblüffender Schlichtheit und vielleicht deswegen überzeugend: Viva Arte Viva – so das Motto, möchte Kunst „mit den Künstlern, von den Künstlern und für die Künstler“ entwerfen. Die Künstler sollen im Vordergrund stehen und die Möglichkeit erhalten, sich auszudrücken. In den Debatten der Gegenwart, seien die „Rolle, die Stimme und die Verantwortung des Künstlers“ von besonderer Bedeutung. Ziel der Ausstellung ist es „einen Pfad hin zu einem Neo-Humanismus zu erschließen“. Bleibt zu hoffen, dass nach der Schau etwas von der weltweit fehlenden Menschlichkeit in den Köpfen der Besucher haften bleibt und in deren Alltagsleben Umsetzung findet.
Das eigentliche Zentrum der Kunstbiennale sind jedoch die offiziellen 85 Nationen-Pavillons, die in diesem Jahr ausstellen werden. Zum ersten Mal dabei sind Antigua und Barbuda, Kasachstan, Kiribati und Nigeria. Aus diplomatischen Gründen sind unter anderem Schottland und Wales, Taiwan und Hongkong sowie Katalonien ins Nebenprogramm verschoben worden.
Solange Venedig nicht untergeht, sehen wir uns an der traumschön-morbiden Adria! Ein Vers von Lord Byron verspricht Großes und die Biennale noch viel mehr:
Verstummt sind in Venedig Tassos Lieder;
Still rudert, ohne Sang, der Gondolier;
Paläste bröckeln auf das Ufer nieder,
Und selten tönt Musik durch das Revier,
Die Zeit ist hin, doch weilt noch Schönheit hier.