Fernand Léger
und die Synthese der Kunst
Kuratorin Katia Baudin machte es zur Eröffnung der Ausstellung Fernand Léger: Malerei im Raum deutlich: Der französische Kubist muss immer auch in Bezug zu Raum und Architektur gezeigt werden, schließlich besteht ein Großteil seines Werkes aus Kunst am Bau. Die Kölner Schau ist die erste Ausstellung, die Légers Wandbilder in den Fokus stellt, ausgehend von Les ploungers, welches seit 30 Jahren den Treppenaufgang des Museum Ludwig dominiert.
Fernand Léger war ein vielseitiger Künstler. Neben der Malerei drehte er Filme, entwarf Bühnenbilder, Kostüme, Kirchenfenster und er schuf Wandgemälde für Privathäuser und öffentliche Gebäude wie die UN-Verwaltung in New York. Gleich zu Beginn der Ausstellung wird dem Besucher klar, dass hier die Chance auf eine visuell überwältigende Bildungsreise besteht, die nicht nur Léger zeigt, sondern auch historisch umfassend erzählt. Im 40. Jubiläumsjahr des Museumsbaus wirft die Ausstellung ein neues Licht auf Légers Œuvre und legt den Fokus auf die Wandgemälde und Wandmalereien des Künstlers.
Schon 2005 präsentierte das Museum Ludwig die Ausstellung Max Beckmann. Fernand Léger- Unerwartete Begegnung und setzte die beiden großen Figurenmaler des 20. Jahrhunderts in Kontext. Dabei wurde auf fantastische Weise der Blick auf überraschende Gemeinsamkeiten der Werke offenbart. Die Künstler sind sich dennoch nie persönlich begegnet. Augenfällig in beiden Œuvres sind ähnliche Bildlösungen, wie schwarze Konturlinien, in den Raum gestaffelte Kompositionen und die raumgreifende Körpergestaltung. Beide trugen sich offensichtlich mit gleichen Formenproblemen. Unübersehbar ist auch die Schwerelosigkeit des Bildpersonals, das taumelnd, schwebend, stürzend um einen nicht sichtbaren Mittelpunkt kreist. So entstehen Bildräume, die nichts mehr mit einem traditionellen, meist horizontal verlaufenden Bühnenraum gemeinsam haben.
Mit der aktuellen Ausstellung wird der Blick auf den gebauten Raum gelenkt und gezeigt wie sich der gelernte Architekturzeichner Léger höchst intensiv damit auseinandersetze. Auch die enge Verbindung zu Architekten wie Le Corbusier, wird erst mit dieser Ausstellung deutlich. Um seiner Leidenschaft, ortsgebundener, öffentlicher Wandmalerei nachgehen zu können, waren Kontakte zu Architekten unabdingbar. Malerei im Raum erkundet die Ergebnisse dieses Dialogs und verfolgt Légers Entwicklung von den frühen zwanziger Jahren bis zu seinem Tod 1955.
Fernand Léger – Ein genreübergreifender Visionär
Der am 4. Februar 1881 in Argentan (Normandie) geborene Léger ist dank Irene und Peter Ludwig auch Kölner. Auf seinem Wandgemälde Les ploungers (Die Taucher) von 1942, das seit Eröffnung des Museumsneubaus 1986 das Treppenhaus ziert, tummeln sich somnambule, gliedmaßenlose Wesen. Das Wandgemälde war eigentlich für das Privathaus des New Yorker Architekten Wallace K. Harrison (1895-1981) konzipiert und gab den eigentlichen Ausschlag für die Ausrichtung der Ausstellung.
Die Großpräsentation lässt fasst nichts aus: Zu sehen ist eine faszinierende Sammlung von Projekten, die zeigen wie vielfältig Léger mit anderen Künstlern, Architekten und Designern zusammenarbeitete. Temporäre und permanente malerische Eingriffe bei Häusern, Wohnungen, Kirchen, Schiffen und bei Weltausstellungen, darunter auch Werke, die noch nie ihren Entstehungsort verlassen haben, werden ergänzt durch Gemälde, Skulpturen, Projektskizzen und Archivmaterial.
Angereichert werden die ausgeführten Arbeiten mit einer Auswahl von nicht realisierten Wandgemälden, Skizzen und Entwürfen, die durch Zeitdokumente kontextualisiert werden. Ebenfalls zu sehen sind grafische Arbeiten, Wandteppiche und Teppiche, Kostüm- und Bühnenbildentwürfe sowie experimentelle Filme.
Fernand Léger – Erste Liebe: Architektur
Von 1897 bis 1899 absolviert Léger eine Lehre bei einem Architekten in Caen. Er geht um 1900 nach Paris und arbeitete bei einem Architekturzeichner. Nachdem er seinen Militärdienst abgeleistet hatte, studierte er nach Ablehnung an der „École des Beaux-Arts“ sowohl an der „École des Arts décoratifs“ und der „Académie Julian“.
Zu Beginn seiner Karriere ist Léger besonders beeinflusst vom Impressionismus Paul Cézannes, dessen Ausstellung er 1907 besuchte und tief beeindruckt war. Cézanne zählt aus kunsthistorischer Sicht zu den Wegbereitern der Klassischen Moderne. Ab 1909 besitzt Léger ein Atelier in der Künstlerkolonie La Ruche in Paris und entwickelt dort seinen ganz eigenen kubistisch geprägten Stil. Er verwendet in seinen Arbeiten nun die einfachsten geometrischen Formen wie Zylinder, Kubus und Kegel.
Diese Entwicklung stellt er 1911 beim Salon des Independents unter Beweis und positioniert sich als bedeutender kubistischer Maler.
Exkurs Kubismus
Der Begriff Kubismus leitet sich vom lateinischen Wort „cubus“ (Würfel) ab. Primär behandelt der Kubismus die künstlerische Reduzierung eines Objektes auf geometrische Figuren wie Kegel, Pyramiden oder Kugel. Das Genre entsteht zwischen 1906 und 1908; zu den wichtigsten Vertretern gehören Pablo Picasso, Georges Braque und Juan Gris.
Im Jahre 1912 sind Fernand Légers Werke zum ersten Mal in der Galerie Kahnweiler zu sehen. Mit dem deutsch- französischen Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler (1884-1979) schließt er im darauf folgenden Jahr einen Vertrag. Der Galereist arbeitete lange Jahre mit Pablo Picasso zusammen und erlangte Bekanntheit, weil er mit vielen wichtigen Künstlern der Zeit Exklusiverträge geschlossen hatte. Darunter Georges Braque, André Derain und Maurice des Vlamick, später folgten Juan Gris, Henri Laurens und eben Fernand Léger. 1920 erschien Kahnweilers erstes kunsttheoretisches Buch Der Weg zum Kubismus, der das Denken über moderne Kunst entscheidend beeinflusste. Im selben Jahr lernt Léger seine zukünftige Frau Jeanne-Augustine Lohy kennen und bezieht sein Atelier auf dem Montparnasse.
Nach seinem Einsatz im Ersten Weltkrieg von 1914 bis 1917, bei dem der Künstler nur knapp einem Senfgaseinsatz entkommt, betritt er 1918 die période mécanique – die mechanische Periode, in der er technische Gegenstände wie Schrauben oder Kurbelwellen malt. Diese Phase ist nicht zuletzt auch durch seine Kriegserfahrungen beeinflusst. Nach 1918 entsteht die legendäre Bilderreihe zur Welt der Großstadt.
Fernand Léger – Rot und Blau- „Farben so elementar wie ein Beefsteak“
Fernand Léger selbst reist erst im Jahr 1931 zum ersten Mal in die USA. Schon 1924 entsteht in Zusammenarbeit mit Dudley Murphy (1897 – 1968) und Man Ray (1890 – 1976) der Experimentalfilm Le ballet mécanique. Seine erste Einzelausstellung in New York folgt ein Jahr später.
Weitere kurze Aufenthalte folgen in den Jahren 1935 und 1938/39, während des letzten führt er die Wandgemälde in Nelson Rockefellers New Yorker Appartement aus. Doch nicht alle seine Utopien kann Léger umsetzen: So scheitert sein Plan, zur Pariser Weltausstellung 1937 die Stadt zu einer weißen Bühne zu machen. Nur die Straßen sollten aber in rot und blau erstrahlen, der Eiffelturm sollte „ganz Licht“ werden.
Nach dem deutschen Überfall auf Frankreich im Frühjahr 1940, emigrierte der Künstler nach New York und lebt dort bis 1945. Er unterrichtet an der Yale University in New Haven und fertigt 1942 im Auftrag des Architekten Wallace K. Harrison das Wandbild Le plongeurs für dessen Haus auf Long Island an. Während dieser Jahre in den USA nimmt Léger an der Ausstellung Artists in Exile in der Pierre Matisse Gallery teil und zeigt eine Einzelausstellung in der Galerie Dominion im kanadischen Montreal. In dieser Zeit entstehen 57 Gemälde und 125 Arbeiten auf Papier.
„Die Farbe ist als Grundstoff für den Menschen ebenso unabdingbar wie Wasser und Feuer“.
Fernand Léger
In New York entwickelt Léger eine neuartige Methode zur Kolorierung seiner Bilder, die auf die bunten Scheinwerfer der Leuchtreklamen referieren. Aus diesem Beleuchtungseffekt erwuchs die malerische Konsequenz, die Léger einzigartig machte: Ohne Rücksicht auf das Sujet, begann er seine Bilder mit unregelmäßigen Farbflächen zu überziehen. Das heißt: Alle Gegenstände und Menschen waren nun nicht mehr an das naturgegebene Farbschema gebunden. Er postulierte: „Die Farbe hat eine Realität in sich selbst“. Dieses Prinzip eignet sich vor allem für Kunst am Bau, zu der sich Léger besonders hingezogen fühlte.
Fernand Léger – Auch am Ende bleibt die Liebe zum Bau
1945 verlässt der Künstler sein New Yorker Exil und kehrt nach Frankreich zurück. Er wird Mitglied der Kommunistischen Partei. In der Galerie Louis Carré zeigt er im darauffolgenden Jahr sein Œuvre d’Amerique 1940 – 1945, das mit dem Hauptwerk
Adieu New York wohl seinen Abschied von Amerika symbolisiert.
Immer wieder zeigt die Ausstellung auch die Fehlschlüsse Légers, zu nennen sei hier das ungebaute Studentendorf in Südfrankreich. Katia Baudin gelingt es dennoch immer wieder den Blick zurück auf die menschenfreundlichen Utopien des Künstlers zu lenken: Er gestaltete Mosaike und Glasfenster für die Kirchen in Assy und Audincourt. Seit 1949 beschäftigt er sich ebenfalls mit Keramikgestaltung. Nicht genug? Nein: Einen Teil seines Lebensunterhaltes verdient sich Léger mit dem Fälschen von Kunstwerken.
Fernand Léger stirbt am 17. August 1955 in Gif-sur-Yvette in seinem Atelier. Kurze Zeit zuvor ehrte ihn die Biennale in São Paolo mit dem Malerpreis. Posthum sind seine Werke auf der documenta I (1955), der documenta II (1959) und der documenta III (1964) in Kassel zu sehen. Erst im Jahre 2008 zeigt die Foundation Beyeler in Rien die Retrospektive Fernand Léger Paris – New York und präsentiert so einen Gesamtüberblick über Légers Schaffensjahre von 1912 bis 1955.
Excellent Escort meint:
Nutzen Sie die Chance und schauen Sie sich vom 9. April bis zum 3. Juli 2016 die erstaunliche Anzahl von Arbeiten eines der vielfältigsten und einflussreichsten Künstler der Moderne an. Katia Baudin und ihr Team haben in zweijähriger Vorarbeit rund 170 Werke sowie umfangreiches Quellenmaterial mit bedeutenden Leihgaben aus wichtigen europäischen und amerikanischen Sammlungen zusammengetragen, die uns auch die weniger bekannten Facetten des Universalkünstlers Fernand Léger nahebringen.
Museum Ludwig | Heinrich-Böll-Platz | 50667 Köln
+49 221 22126165 | www.museum-ludwig.de